Da ist etwas in mir, das nichts von mir will

Natürlich ist es schön, ist es menschlich, etwas zu wollen, Ziele zu haben, wachsen zu wollen. Unsere Kultur ist jedoch darauf besessen, besser werden zu wollen, wo anders hin zu wollen, wo es dann besser sein würde, wo ich dann ankommen würde. Auch im Religiösen und Spirituellen ist dieser Impuls stark spürbar: ich will irgendwohin. Ich will irgendwer (besserer) werden. Auch in der Meditation: immer dieser Antreiber, mit allem, was ich tu, etwas erreichen, etwas bezwecken zu wollen.

Wie wohltuend: Da ist etwas in mir, das nichts von mir will.

Was passiert, wenn ich mich dahin sinken lasse? Wenn ich mich sein lasse? Da er-innere ich mich an das, was ich immer schon bin und daher keiner Anstrengung bedarf. Er-innern: es ist innen schon da. Ich hatte es vergessen, aus dem Blick verloren.

Ich meine, es ist die Kernfunktion der Religion: Mich er-innern, wer ich immer schon bin. Religere – rückverbinden mit der Quelle, aus der ich fliesse und die ich doch nie verlassen haben, nie verlieren kann. Etwas in mir weiss darum:

Da ist etwas in mir, das nichts von mir will.

Kannst du warten, bis dein Schlamm sich setzt und das Wasser klar ist? Kannst du regungslos verharren, bis die richtige Handlung sich von selbst ergibt?

einfach menschlich

Dorothea, die lange Personalleiterin in einem grossen Unternehmen war, hat «einfach menschlich» in die Welt gesetzt. Ich praktiziere «einfach menschlich». Es ist einfach.

«Die Idee besteht darin, alle 6 Stunden (Referenz ist 0 Uhr/6 Uhr/12 Uhr und 18 Uhr MEZ) für eine Minute still als Menschen auf der ganzen Welt mit einem offenen Herzen für alles Leben und Sein in Verbindung zu treten, egal welcher Nation, Religion oder welchem ​​Glauben Sie angehören. Dieses Experiment könnte eine Verbindung über unsere Trennungen, täglichen Konflikte und offensichtlich gewalttätigen globalen Verhaltensweisen hinaus ermöglichen.

Vielleicht kann die bloße Erinnerung daran, dass wir alle Menschen, „Erdlinge“, lebende, spürende und manchmal innerlich und äußerlich ringende Wesen sind, ein Feld der Zusammengehörigkeit, Weisheit, Intelligenz und Fürsorge ohne Grenzen schaffen.

Wir können dieses Experiment organisieren und starten, indem wir alle unsere globalen Netzwerke nutzen, um die Einladung an so viele Menschen wie möglich zu verbreiten: Übersetzen Sie diesen Text in Ihre Muttersprache und stellen Sie Ihr Mobiltelefon oder einen anderen Timer alle 6 Stunden ein (außer während Ihrer Schlafphase) in Bezug auf MEZ. Halten Sie es einfach: Wenn Sie arbeiten oder einer Aufgabe nachgehen müssen, verbinden Sie sich einfach für eine Minute innerlich. Wenn Sie Ihre Aufgabe unterbrechen oder sich für diese Zeit voll und ganz auf unser globales Seins-Feld konzentrieren können, tun Sie dies.»

Wer die englische Version «simply human» erhalten möchte, schreibe mir bitte übers Kontaktformular meiner Website www.martinrafael.ch und ich schicke das Dokument gerne zu. Danke, Dorothea, für deine Initiative. Es ist so vieles so schwer zu ertragen, was rundum geschieht. Um 12 und um 18 Uhr (und manchmal auch um 6 Uhr) verbinde ich mich mit allen Menschen guten Willens, mit allen, die leiden, mit allen, die nicht aufgeben zu lieben.

Wer bist DU…?

Ein Gastbeitrag von Claus Eurich

http://www.interbeing.de/2022/09/15/wer-bist-du

Seit je ist da des Menschen Ruf:

Führe mich in Dein Geheimnis
Öffne den Vorhang
Und sei es nur einen Spalt

Warum verbirgst Du Dich vor mir
Wer bist Du
Wo bist Du


Und ewig klingt die Antwort:

Ich bin da
Und war nie fort

Ich zeige mich
In jedem Baum
Jedem singenden Vogel
Jedem rauschenden Wind
Jedem bewegten Wasser

Ich spreche zu Dir
Durch den offenen Himmel
Wärme Dich als Sonne
Rufe Dich durch Deine Sehnsucht
Lass Dich ankommen
Durch Deine Liebe

In allem kannst Du mich erkennen
In Boten und Propheten bin ich Dir erschienen
Was Du wissen musst
Es ist gesagt

Beende Deine Suche
Finde was vor Deinen Augen liegt
Was Du mit Deinem Herzen
jederzeit erkennen kannst

Des Menschen Ruf jedoch will nicht verstummen:

Wie soll ich meine Sehnsucht stillen
Wie das unruhige Herz besänftigen
Es brennt, gleich auch, was meine Augen sehen

Spricht die Antwort:

Wenn Deine Sehnsucht in Dir ruft
Bist Du bei mir
Sie wäre nicht
Ohne meine Sehnsucht nach Dir
Deine Frage ist die Antwort
Ich bin da

Bin hier
In Dir

Der Mensch:

Eine Frage bleibt – Was ist Dein Wesen

ICH BIN DAS SEIN
DER GEIST
DIE WAHRHEIT
DAS LEBEN

DIE LIEBE
UND ICH BIN DU

Die grossen Bewegungen

Ich kam an das Ufer des Sees, blickte hinaus und spürte mit einem Mal: Trau den grossen Bewegungen, den grossen Elementen des Wassers, der Erde, der Liebe.

Da sind so viele Wellen, die durch mich hindurchrollen und meine Emotionen aufrühren, Geschehnisse, Gefühle, aussen, innen – da vergesse ich die grossen Bewegungen, den See, das Meer selbst, den Fluss, auf dem diese Bewegungen des Alltags geschehen. Schlagzeilen, Stimmungen, Befürchtungen, Nebel. Und dann diese unerwartete Begegnung mit dem Wasser, als ich zum See kam…

Ich merkte, wie im selben Moment Ängstlichkeit und Verwirrung sich lichteten, ich mich wieder still des Da-Seins freuen konnte und vertrauensvoll in das Dunkle hinein weiterging.

Blogg! Big Oil am Ende

Unter diesem Titel findet sich ein lesenswerter Beitrag in der Republik, einer Schweizer Internetzeitung mit hervorragendem Journalismus. Ich verfolge sie seit ihrem Start vor zwei Jahren. Simon Schmid schreibt:

«Die Corona-Krise bringt Öl- und Gasfirmen ins Straucheln. Und endlich realisiert die Finanzwelt: Fossile Energien sind keine guten Investments – sondern nur eine Blase, die gerade platzt.»

Ich habe mich schon lange gefragt, warum weiterhin so viel Geld in fossile Energien floss und fliesst, wo doch schon lange klar ist, wie schädlich sie für das Klima sind und wie absehbar das Ende dieser Ära ist. «Ölpreis unter Null gefallen.» Diese Nachricht könnte sich im Nachhinein als eine der wichtigen dieses Frühjahrs herausstellen. Es lohnt sich nicht mehr in fossile Energien zu investieren. Bis vor kurzem war es ein schmutziges, aber lukratives Geschäft. Das Risiko ist deutlich gestiegen, dass Investitionen in Öl, Gas, Kohle, Autoindustrie ihren Wert verlieren, ja auflösen könnten. Einsicht kommt in Schüben. Der Artikel beschreibt sehr genau, wie der Wert der grossen Erölfirmen und Öllager sinkt. Es sind aus meiner Sicht gute Nachrichten, die sich hier nachlesen lassen.

Mir helfen die Informationen dieses Artikels das Phänomen «Corona» anzunehmen: Es ist so vielschichtig, es ist so schwer einzuschätzen, was wo geschieht. Durch diesen Artikel wird mir eines klarer: durch die Bedrohung, die diese Viren darstellen und unsere Reaktionen darauf geschieht etwas in der Welt, in diesem Fall wird Risiko eines riskanten Verhaltens deutlicher, eine Einsicht bahnt sich den Weg: ungesundes Wirtschaften wirft weniger Gewinn ab. Es ist ein Aspekt. Er hat Wirkung. Und mir macht er Mut, dass krankhaftes Wirtschaften als solches erkannt und verändert wird.

Der Bläuling

Jeden Morgen und manchmal auch am Abend
sitzt der Bläuling auf einer Schwingung meiner Seele
und ist einfach da,
unglaublich schön, transparent,
unverfügbar.

Er erinnert mich daran,
dass da etwas in mir ist,
das nichts von mir will.

Den Bläuling hat Christine Brügger fotografiert,
den Text Martin Steiner geschrieben.

Hier wurde ein Foto vom Foto verwendet. Deshalb ist das Bild nicht wirklich scharf. Aber auch dieser leicht verwaschene Eindruck ist Ausdruck von Unverfügbarkeit.

Stille

Die Wellen des Denkens
verlangen so viel von der Stille.
Dabei gibt sie kein Widerwort,
sie antwortet und streitet nicht.
Sie ist die heimliche Urheberin jedes Gedankens,
jedes Gefühls,
jedes Augenblicks.
 
Stille
 
Sie spricht nur ein einziges Wort.
Und dieses Wort ist nichts als Dasein.
Kein Name, den du ihr gibst,
berührt sie,
fängt sie ein.
Kein Verstand
kann sie erfassen.
 
Das Denken wirft sich gegen die Stille,
will eingelassen werden.
Doch nichts Erdachtes kann hinein
in ihre leuchtende Dunkelheit,
ihr reines, lächelndes
Nichtsein.
Das Denken stürzt sich
auf heilige Fragen.
Aber die Stille bleibt
unbewegt von dem Wüten.
Sie bittet um nichts.
 
Nichts
 
Aber das gibst du ihr nicht,
denn es ist der letzte Heller
in deiner Tasche.
Und du würdest ihr lieber
mit Forderungen kommen als
mit deinen heiligen leeren Händen.

Adyshanti, Tanzende Leere, S. 83f.

Kommentar

Im Kapitel über die Stille bringt Ayshanti diesen Text, in dem, so scheint mir, etwas Wesentliches zum Ausdruck kommt. Immer wieder, wenn ich diesen Text lese oder höre, schaue ich das Nichts in mir auf eine neue, sanfte, dankbare Art an. Etwas in mir entspannt sich und gibt sich diesem Nichts hin. Und jedes Mal, wenn das geschieht, erhellt und erwacht ein tiefes Sein in mir. Ich kann gar nicht sagen, dass ich mich ihm überlasse. Es ist keine Aktivität. Es ist ein Aufgehen in dem, was ich bin – keine Anstrengung, kein Tun, kein Verhindern, kein Irgendwohin-Wollen.

Martin Rafael Steiner

Das Meer sorgt für jede Welle

Der Sufi-Mystiker Rumi (13. Jhdt, heutige Türkei) hat Verse geschrieben, die mich berühren und anstacheln, nicht mehr loslassen. Dieser Vers «Das Meer sorgt für jede Welle» gehört auch dazu. Das weckt ein tiefes Vertrauen in mir: ich kann gar nicht untergehen. Ich kann gar nicht verloren gehen. Mein Gefühl und mein Erleben im Alltag ist oft so anders, so von Angst und Spannung durchzogen, ob es gelingt, ob ich es schaffe, ob wir es schaffen und wirklich merken, was gerade mit uns und unserer Welt geschieht und adäquat reagieren. Das Meer sorgt für jede Welle, sagt Rumi. Hier ist der ganze Vers:

Ergib dich der Gnade

Ergib dich der Gnade.
Das Meer sorgt für jede Welle,
bis sie ans Ufer gelangt.

Du brauchst mehr Hilfe,
als dir bewusst ist.

Hilfe

Beide Aspekte kommen in dem Vers zum Ausdruck: Es ist für alles gesorgt und Ich brauche Hilfe. Und genauso erlebe ich mich auch: Ich fand in den vergangenen Monaten tiefer ins Vertrauen, dass ich im Leben wie in einem Fluss getragen bin. Ich muss nur mitgehen mit jeder Bewegung. Je mehr ich in dieses Vertrauen eintauche, umso freier und beseelter gehe ich durch den Tag, meistere ich Herausforderungen. Ja, meistern, bisweilen einfach nur aufrappeln, immer wieder. Nichts von elegantem Drüberstehen. «Wir werden eingetaucht und mit den Wassern der Sintflut gewaschen, durchnetzt bis auf die Herzhaut.» schreibt Hilde Domin in ihrem Gedicht «Bitte». Genau so geht es mir. Ich bin so dankbar für diese Verse; denn sie spiegeln meine Erfahrung wider. Ich bin nicht allein damit. Ich bin gehört, werde verstanden in meinem Geworfen und Verloren sein. Zumindest erlebe ich es immer wieder als Verloren sein. Und Rumi erinnert mich daran, dass ich gar nicht verloren gehen kann: Das Meer sorgt für jede Welle, bis sie ans Ufer gelangt.

Ja.

mich ruhig werden lassen

Mich ruhig werden lassen
der Stille lauschen
dem Herzen folgen
die Seele spüren
weit und tief
wie ein See
unaufhörlich genährt
von ihrem unsichtbaren Ursprung
jeden Tag, jeden Moment
leben

So wird der Blick klar
für das Alltägliche
das Not-wendende
Kraft wird frei
geschehen zu lassen
zu entscheiden
zu handeln
unser Leben und unsere Erde
zu gestalten

Martin R. Steiner

Meditation ist …

Meditation ist nicht Kontrolle

„Meditation ist nicht bloss die Kontrolle von Körper und Gedanken, sie ist auch kein System des Ein- und Ausatmens.“ Bei diesen Worten von Krishnamurti horche ich auf. Was kommt jetzt? Was ist Meditation? Es ist so einfach, worauf er hinauswill und es ist so unmittelbar wirksam im gleichen Moment, in dem ich mir dessen bewusst werde:

Man muss mit dem Geist beginnen

„Man muss mit dem Geist beginnen und nicht mit dem Körper, dem Geist, der das Denken und die Vielfalt der Ausdrucksformen des Denkens ist. Die blosse Konzentration macht das Denken eng, begrenzt und starr, doch die Konzentration kommt als etwas Natürliches, wenn man seiner Denkgewohnheiten gewahr wird. Dieses Gewahrsein kommt nicht aus dem Denker, der auswählt und verwirft, der festhält und ablehnt. Dieses Gewahrsein kommt ohne Wahl und umfasst sowohl das Äussere wie auch das Innere; es ist ein Austausch zwischen beiden, und damit geht die Trennung zwischen dem Ässeren und dem Inneren zu Ende. …

Aufmerksam werden für die Unaufmerksamkeit

Im Gewahrsein aller Vorgänge entsteht Aufmerksamkeit, die nicht das Produkt von Unaufmerksamkeit ist. Die Unaufmerksamkeit hat ja die vergnüglichen Gewohnheiten des Körpers diktiert und die Intensität der Gefühle verwässert. Unaufmerksamkeit kann nicht in Aufmerksamkeit verwandelt werden. Das Gewahrsein der Unaufmerksamkeit ist Aufmerksamkeit“ schreibt Krishnamurti in seinem Buch «Liebe gleicht dem Duft der Rose» auf Seite 93.

Still werde ich von selbst, wenn …

Das Gewahrsein der Unaufmerksamkeit ist Aufmerksamkeit. Ganz einfach. Diese Feststellung finde ich sehr erhellend. Wie oft probiere ich, über Konzentration Kontrolle über meine inneren Vorgänge zu bekommen, auch in der Meditation oder gerade dort. Ich erhöhe dabei die Anstrengung und ungewollt den inneren Konflikt zwischen dem, was ist (Unaufmerksamkeit) und dem, was ich möchte, was ich mir vorstelle (z.B. still werden zu wollen). Still werde ich von selbst, wenn ich mir der Unaufmerksamkeit bewusstwerde. Es ist nicht machbar. Es ist geschieht vielmehr.

Jene, die mit mir meditieren, wissen, dass ich den Körper als äusserst hilfreiche Tür in die Gegenwärtigkeit ansehe. Deshalb beginne ich auch gerne die Meditationen damit, den Fokus auf den Körper zu lenken, das Gewicht zu spüren, meine Basis, mich zu erden usw. Ich werde das auch entgegen dem Rat von Krishnamurti wahrscheinlich noch oft so machen und anleiten. Und zugleich ist mir sein Impuls präsent: Unaufmerksamkeit nicht vertreiben zu wollen, sondern ihrer bewusst zu werden.

Martin Steiner

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